100 Jahre Bauhaus: Neues Bauen in Köln
Mit dem Blauen Hof und der Weißen Stadt setzten die Architekten Caspar Maria Grod und Wilhelm Riphahn dem internationalen Stil auch im rechtsrheinischen Köln ein Denkmal.
Ganz Deutschland feiert in diesem Jahr 100 Jahre Bauhaus. Buchforst feiert mit. In der Bauhäusler-Hochburg Dessau zeugt die Gropius’sche Siedlung Törten davon, dass sich auch ein Arbeiter Haus und Garten zur Selbstversorgung leisten sollte und kann – samt Gemüseanbau und Kleintierhaltung. Hier, auf der kleinen Insel Buchforst, umringt von Stadtautobahn und Gleisbetten, treffen wir auf zwei herausragende Vertreterinnen des internationalen Stils: Die Siedlungen Weiße Stadt und Blauer Hof. Bis heute führen sie uns vor Augen, wie die gute Gestaltung alltäglicher Dinge sozialen Ansprüchen gerecht werden kann und so ein gutes Leben für alle möglich macht. Funktional und ganz ohne überflüssigen Schnickschnack.
Die Insel Buchforst
Ein bekanntes Immobilienportal wirbt im Netz um Buchforst, den „städtisch angehauchten“ Stadtteil, in dem nicht nur gewohnt, sondern auch gelebt werde. Das dürfte den Bauhäuslern der ersten Stunde gefallen, ist das „gute Leben“ doch ganz ihrem Sinn. Es stimmt, der Buchforster ist verkehrstechnisch gut angebunden und kommt mit der KVB oder S-Bahn schnell voran. Auch wir sind heute mit der Bahn angereist. Nicht nur Gleise, sondern wichtige Bundesstraßen umgeben den Stadtteil, sodass er eine Insel inmitten der Stadt bildet. Buchforst ist abseits der zentralen Heidelberger Straße gespenstisch ruhig. Die langen Häuserzeilen der Weißen Stadt verfügen über Balkone, auf denen sich trotz schönstem Wetter niemand blicken lässt. Hohe Zäune versperren den Blick in die Grünanlagen des Denkmals. In den Blauen Hof gelangen wir dagegen problemlos.
Der Blaue Hof
Als die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau (GAG) das 18.000 m² große Areal 1926 erwarb, nannte Buchforst sich noch „Kalker Feld“. Den Bebauungsplan für das Kalker Feld entwarfen die GAG-Hausarchitekten Caspar Maria Grod und Wilhelm Riphahn. Ihre Bauaufgabe und Prämisse war klar am Menschen und seinen Bedürfnissen orientiert: Das Gebäude für die über 200 Wohnungen sollte nicht nur gut aussehen, sondern auch erschwinglich sein. Der Wohnraum war insbesondere für die einkommensschwachen und kinderreichen Familien gedacht, die durch den Bau der Mülheimer Brücke ihre Wohnungen verloren hatten. Getreu dem Motto „gesundes Wohnen für alle“ wurden die Wohnungen mit Licht, Luft und einem Blick ins Grüne bedacht. Von ihren Loggien blicken die Bewohner bis heute in den begrünten Hof, in dem sie nicht nur ihre Wäsche aufhängen, sondern ihre Kinder geschützt fernab der Straße und unter den Augen wachsamer Nachbarn spielen lassen können. Seinen Namen verdankt der Blaue Hof dem hier allgegenwärtigen Blau des Himmels und den farbig abgesetzten, horizontalen Streifen auf der Fassade. Der Blauton entstammt der Palette Heinrich Hoerles: Der Maler lebte gleich nebenan, in der Weißen Stadt. Eine Gedenktafel auf der Galileistraße erinnert an den Künstler.
Die Weiße Stadt
Die „architektonische Spielerei“, wie Adenauer abschätzig über das neue Bauen urteilte, wurde nach der Fertigstellung des Blauen Hofs in der Weißen Stadt fortgeführt. Riphahn und Grod hatten freies Spiel auf freiem Feld: Sie planten die Siedlung samt Kirche, Café, Bücherei und Gaststätte – dem soziokulturellen Zentrum „Buchforster Hof“, ohne dabei auf Bestandsbebauung Rücksicht nehmen zu müssen. Es entstanden weiße, lange Zeilen fünfgeschossiger Hochhäuser mit Balkonen, voneinander durch breite Wiesen abgetrennt mit Wohnungen zur Miete, dazu einige Straßenzüge mit Einfamilien-Reihenhäuser zum Kauf. Die Kombination aus Mieten und Kaufen sollte seitens der Kundschaft dazu führen, dass Arbeiter und Angestellte Nachbarn wurden.
Heute in der Weißen Stadt
Wir sind zu Besuch bei Michael Christ. 2012 ist der Steuerberater zu Willi Hanspach und seinem Team gestoßen, das Steuerbüro existiert seit 1994 im Erdgeschoss des historischen Einfamilienhauses auf der Voltastraße. Hanspach ist inzwischen in Rente. Lange vorher habe es hier eine Wäscherei gegeben, erzählt er uns. Christ ist unkompliziert und führt uns bereitwillig herum. Das Team begrüßt uns gelassen und wir freuen uns über die Lässigkeit hinter den zunächst so hermetisch wirkenden Fassaden der Weißen Stadt. Das Team um Christ ist in letzter Zeit augenscheinlich schnell gewachsen: Es häufen sich Schreibtische, auf ihnen und in den Regalen umher die Aktenordner.
Dennoch findet die Sonne ihren Weg in jeden Winkel, der Eindruck ist luftig und licht trotz heruntergelassener Jalousien. Eine Reihe von Fenstern gibt den Blick in den wilden Garten frei. Von Raum zu Raum gelangen wir schließlich ins Freie – an den perfekten Platz für die Mittagspause. Im Wohngebiet ist das eine naheliegende Option. Die Fassaden der Nachbarschaft sind bunt bis braun, am historischen Weiß der Häuser haben nur wenige Eigentümer festgehalten.
Seit 2003 läuft das Programm „Mieter werden Eigentümer“, in dem viele teilweise unsanierte GAG-Wohnungen in ganz Köln und vor allem auch in den Zeilen der Weißen Stadt günstig zu kaufen waren. Nicht nur die Einfamilienhäuser wie hier auf der Voltastraße, sondern auch der überwiegende Teil der Wohnungen ist inzwischen in Privatbesitz.
Danke an Peter Renck von der Buchforster Geschichtswerkstatt für die Unterstützung bei der Recherche!