Auf den Spuren der Königin der Äpfel: Streuobst Rieve
Es fängt gerade wieder an zu regnen, als wir uns in die Toreinfahrt in der Dünnwalder Straße flüchten. Ein handbeschriebenes Holzschild weist den Weg zu unserem heutigen Ziel: „Apfelverkauf Streuobst“. Im Innenhof lassen Baustrahler den selbst gebauten kleinen Marktstand in einem warmen Licht erstrahlen. Das warme Licht täuscht. Es ist Januar und es ist kalt. Trotzdem hat sich eine kleine Menschentraube um den Stand gebildet. Interessiert lauschen die Besucher Julias Ausführungen zum Thema Apfelsorten, während sie kleine Probierstückchen verteilt.
Die Supermarkt-Äpfel wie Granny Smith, Pink Lady oder Gala sucht man bei Julia und Patrick vergebens. Stattdessen haben sich die beiden dem Erhalt und der Pflege alter regionaler Arten verschrieben. Auf ihrer Sortenerhaltwiese in der Eifel wachsen mehr als 80 verschiedene alte Obstsorten, erzählt Patrick. Darüber hinaus seien die Wiesen wichtige Biotope, die vielen Tieren eine Heimat bieten. Dem gelernten Obstbaumschneider wurde die Liebe für alte Obstsorten praktisch in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater beschäftigte sich als gelernter Pomologe (Obstbaukunde) jahrzehntelang mit der Bestimmung und Erhaltung dieser Früchte und kaufte die Wiese einst Anfang der siebziger Jahre.
Heute liegen ca. ein Dutzend verschiedene Apfelsorten und eine Birnensorte in den Holzkisten des Marktstandes. In erster Linie sind es Wintersorten wie „Roter Winter Kalvill“ oder „Von Zuccalmaglios Renette“. Alle sind 100% natürlich und ohne Chemie gewachsen. Den Unterschied zu ihren genormten, sortierten „schöneren“ Geschwistern aus dem Supermarkt sieht man ihnen natürlich an. Seien es die unterschiedlichen Größen und Formen oder der gelegentliche Hagelschaden. „Ich schaue nur auf innere Werte“, scherzt ein Besucher. Und genau dort können die Streuobst-Äpfel auch punkten, denn geschmacklich sind sie weit überlegen. Da sind sich alle Anwesenden einig.
Alte Apfelsorten auch für Allergiker geeignet
Doch nicht nur der Geschmack unterscheidet sie von den neueren Sorten. Als ein Besucher ein Probierstück ablehnt mit der Begründung, er selbst vertrage Äpfel nicht gut, holt Patrick seine Wunderwaffe aus dem Keller: die Goldparmäne. Historische Apfelsorten seien meist viel bekömmlicher und oft auch für Allergiker geeignet.
Warum dies so ist, erklärt uns Patrick natürlich gerne. In die meisten neueren Apfelsorten werden immer dieselben „Grundsorten“ hineingezüchtet. In der industriellen Landwirtschaft stehen nun einmal bestimmte Merkmale auf der Anspruchsliste. Neben optischen Eigenschaften seien dies z.B. Lagerbarkeit oder auch lange Stiele, um die industrielle Ernte zu erleichtern. Aber selbstverständlich auch der Geschmack. Golden Delicious sei z.B. in vielen bekannten Sorten enthalten, um ihnen unter anderem die gewünschte Süße zu geben. Der Nachteil: Wer auf eine dieser Grundsorten allergisch reagiert, kann dann die Neuzüchtungen vergessen, weil in ihnen eben fast alle dieser Elternsorten stecken.
Königin der Renetten
Die Goldparmäne hingegen gehört zu den ganz alten Apfelsorten. Jahrhunderte lang wurde sie als eine der edelsten Sorten geschätzt und von den Franzosen als Reine des Reinettes (Königin der Renetten) verehrt. Wegen ihrer Anfälligkeit gegenüber Schädlingen und dem erforderlichen Sachverstand bei Pflege und Schnitt eignet sie sich jedoch nicht für die industrielle Landwirtschaft. Auf jeden Fall habe er noch nie jemanden getroffen, der mit einer Goldparmäne Probleme gehabt habe, erzählt Patrick schmunzelnd und überreicht dem Besucher zwei kleine Äpfel. Im Gegenteil: Ein Bekannter mit Apfelallergie konnte durch den regelmäßigen Verzehr der alten Apfelsorte sogar seine Allergie insgesamt mildern und verträgt nun auch neuere Apfelsorten. Was erst einmal unglaublich klingt, konnte eine Studie der ECARF – European Centre for Allergy Research Foundation (gemeinnützige Europäische Stiftung für Allergieforschung) in 2017 jedoch auch wissenschaftlich nachweisen.
Neben dem Obst kann man bei Julia und Patrick naturtrüben Direktsaft kaufen. Dieser wird von der Föno, der Gesellschaft zur Förderung naturnaher Obstwiesen und -weiden, aus im Kollektiv gesammeltem Streuobst gepresst. Durch die enorm vielen verschiedenen Sorten, die in den Saft sprichwörtlich einfließen, habe dieser eine besonders hohe geschmackliche Qualität, erzählt Julia.
Verkauf nur an bestimmten Terminen
Wer jetzt schon mit seiner Einkaufstüte (und bitte eigene Tüten mitbringen!) auf dem Sprung nach Mülheim ist, den müssen wir leider etwas enttäuschen. Der Verkauf findet während der Saison nur an bestimmten Terminen statt. Bei Interesse kann man sich allerdings auf Julias und Patricks Mailingliste setzen lassen, um über die nächsten Termine informiert zu werden.
Text & Bilder: Jan
Ihr möchtet über die nächsten Termine informiert werden? Dann schreibt Julia und Patrick und lasst Euch auf die Mailingliste setzen:
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