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Mit staubigen Fingern ins Grüne: Kontrapunkt Vinyl

Mit staubigen Fingern ins Grüne: Kontrapunkt Vinyl

Es ist ihm nicht anzusehen: Bereits seit sechs Uhr ist Basti auf den Beinen. Sein Tag beginnt auf dem Flohmarkt, mit der Jagd nach Schätzen und Perlen in staubigen Kisten und muffigen Kartons – lange bevor der erste Kunde seinen Plattenladen betritt.

Er ist auf der Suche nach alten Platten, Originalpressungen, keine Neuware oder Nachpressung. Schallplatten, schwarzes Gold – ein Abenteuer für frühe Vögel. Die schönen, raren Scheiben aufzuspüren ist zeitintensiv und hält das One-Man-Business „Kontrapunkt Vinyl“ sieben Tage die Woche auf Trab. „Das macht halt 24 Stunden am Tag Bock. Und wenn ich krank bin, arbeite ich halt auch und es macht mir auch Spaß“ lacht Basti. Und im Urlaub? „Guckt man natürlich zuerst: Wo gibt’s Platten“. Natürlich. 

Schön staubig hier

Nicht umsonst nennen seine Freunde ihn „Basti Fingers“ – und er sich inzwischen auch selbst, wenn er als DJ unterwegs ist. Der Plattenreihe “Dusty Fingers“ aus New York hat er diesen Namen zu verdanken, weil Basti selber gerne ziemlich tief gräbt und sich auch in den dreckigsten Ecken die Finger schmutzig macht, um heiße Platten zu finden. Das Programm von Kontrapunkt Vinyl ist breit gefächert. „Es gibt einfach zu viel schöne Musik in allen Genres und eine Menge toller, zeitloser Platten zu entdecken“, schwärmt Basti. Im Radio werde bloß „das Mainstream-Programm abgefeuert“, dabei gibt es einen „riesen Kosmos drum herum“.

Kosmos in grün

Einen Teil dieses Kosmos zeigt uns Basti an der Ecke Helenenwallstraße/Heribertusstraße. An der beruhigend grünen Wand des Ladenlokals hängt eine Auswahl bunter Plattencover, in unzähligen Kartons und auf mehrere Ebenen verteilt gibt es mehr aus der Kategorie Augen- und Ohrenschmaus. Organic Grooves aus den 60er und 70er Jahren, Jazz, Funk und Soul, Rockmusik und Mischformen, 80er Jahre-Disco und Boogie, Elektro Disco Rap und der klassische 90er Jahre Hip Hop. Auch für obskure Sachen, etwa aus dem Orient oder Brasilien, hat der Vinylfachmann einiges übrig.

Buy, sell, trade, connect und: eat

Zu ihm kommen die Leute nicht nur, um Platten zu kaufen – hier können sie sie auch dem Kontrapunkt-Motto „Buy, sell, trade“ gemäß verkaufen oder tauschen. Viele Freundschaften und herzliche Kontakte sind über den Laden schon zustande gekommen, auch hat Basti dem ein oder anderen seine erste Platte verkauft. Dabei hat er erst vor anderthalb Jahren dem virtuellen auch einen haptischen Verkaufsraum hinzugefügt. Als Experiment, gewissermaßen. Denn: Irgendwann war seine Wohnung so voller Platten, dass entweder ein Umzug in eine größere Wohnung oder die Anmietung eines Ladenlokals anstand. Nun lebt und arbeitet es sich in unmittelbarer Nähe zur Deutzer Freiheit bequem, findet der Plattenfreund. Einzig die vielen Friseure und der Wegzug des asiatischen Imbisses auf der Luisenstraße (nach 14 Jahren!) bedauert er ein Wenig. Und auch wenn er am liebsten selber kocht, schätzt er die Nähe zum Schäl Sick Grill und die Suppen vom St. Louis.

Von Bällen zu Platten

In Deutz fühlt der gebürtige Magdeburger sich wohl. Kurz vor der Wende ist Basti mit seiner Familie von Magdeburg nach NRW gezogen, als ambitionierter Basketball-Spieler hat er dann ein Sportinternat im Rheinland besucht. Dass er die zwei-Meter-Marke unterschreitet, ist auf einen Blick zu erkennen. Doch weiß er, dass auch „kleine Spieler ihre Aufgaben gut machen“ können. Mit Blick auf das Ein-Mann-Experiment „Kontrapunkt Vinyl“ ist dieser Satz gleich doppelt wahr.

Text: Valeria Bilder: Jan


Kontrapunkt Vinyl
Helenenwallstr. 2
50679 Köln

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