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Alexandra – Die Kaffee-Sommelière

Alexandra – Die Kaffee-Sommelière

Das bekomme ich hin“ stellt Alexandra auf den Hinweis der Bedienung, dass sie sich den bestellten Filterkaffee selber aufgießen müsse, lachend fest. In unserem wohlvertrauten und geliebten Veedelscafé, dem Parl*or, sitzen wir unserer heutigen Interviewpartnerin Alexandra Urban gegenüber. Die Dellbrückerin ist eine echte Kaffeespezialistin.

Dabei fängt Alexandras Arbeit an, lange bevor ein Barista die uns vertrauten gerösteten braunen Kaffeebohnen in die Hand bekommt. Die ausgebildete Kaffee-Sommelière ist eine der führenden Experten im Rohkaffee-Bereich, sie berät Röstereien und bildet – von der Specialty Coffee Association zertifiziert – andere Kaffeespezialisten aus und weiter. Heute könne sie „die ganze Wand mit irgendwelchen Zertifikaten und Diplomen vollkleistern“ erzählt Alexandra augenzwinkernd. Ihr Weg dorthin war jedoch nicht immer schnurgerade.

Bevor wir uns über ihren Lebenslauf unterhalten können, bringt die Bedienung den kleinen Ein-Tassen-Filter inklusive Tasse und heißem Wasser – und ohne Milch. „Das ist immer ein gutes Zeichen, dass genug Vertrauen darin besteht, dass der eigene Kaffee auch ohne trinkbar ist“, stellt Alexandra schmunzelnd fest. Das trockene Filterpapier sticht der Sommelière hingegen sofort ins Auge. Für den optimalen Kaffeegeschmack gehöre der Filter eigentlich kurz mit heißem Wasser ausgewaschen. Dadurch werde sichergestellt, dass keine Geschmacksstoffe des Papiers mit in den Kaffee gelangen.

Vom Wein zum Kaffee

Während ihres Studiums der Regionalwissenschaften Lateinamerika jobbte Alexandra in zwei Kölner Weinstuben, wo sie erste Erfahrungen im Sensorikbereich machte und ihren Gaumen auf die Feinheiten der unterschiedlichen Aromen sensibilisieren konnte. „Damals habe ich mich geärgert und gedacht, eigentlich müsse ich doch etwas machen, was mit meinem Studium zu tun hat. Rückblickend war es genau das Richtige.“ Nach dem Diplom ging sie für die Internationale Arbeitsorganisation ein Jahr nach Mexiko, um in einem Gemeinschaftsprojekt mit UNICEF die Kinderarbeit in der Zuckerindustrie zu bekämpfen.

Ein freie Stellenausschreibung eröffnete Alexandra nach der Rückkehr aus Mexiko plötzlich die Möglichkeit, ihre Erfahrungen im Sensorikbereich mit den Kenntnissen aus ihrem Studium zu verbinden. Der größte europäische Importeur fair gehandelter Lebensmittel hatte die Stelle „Assistent Produktmanagement Kaffee“ ausgeschrieben. Eigentlich sollte diese Position mit einem Mann besetzt werden, weil man nicht überzeugt war, dass sich eine Frau in der männlich dominierten Kaffeewelt durchsetzen könne. Und eigentlich sollte es auch jemand mit einem Studium im landwirtschaftlichen Bereich sein.

Durchgesetzt in der Männerwelt

Sie konnte die Entscheider trotzdem für sich gewinnen. „Letztlich bin ich über das Thema Sozialstandards und meine Arbeit in diesem Bereich und nicht über das Produkt reingerutscht.“ Auch die unbegründete Befürchtung, dass sich eine Frau in der Kaffeewelt nicht durchsetzen könne, entkräftete sie schnell und erarbeitete sich in kurzer Zeit die Anerkennung der Kollegen und einen vorauseilenden Ruf als gewissenhafte Expertin.

So habe sie mal, als sich die Kaffeebohnen im Lager dem Ende neigten und klar wurde, dass die neue Containerlieferung wahrscheinlich nicht rechtzeitig ankommen würde, ihre eigene Lieferung noch auf dem Transportweg mit der eines Kollegen getauscht. Beide Lieferungen stammten von demselben Erzeuger, befanden sich allerdings auf unterschiedlichen Schiffen und wurden um einen Monat versetzt in Antwerpen erwartet. Bei der Inempfangnahme des Containers verpuffte die Freude allerdings ziemlich schnell. Während der Erzeuger, sich Alexandras Sorgfalt und selbstbewussten Verhandlungsführung durchaus bewusst, ihr eine fast fehlerfreie Lieferung schickte, bekam die für den Kollegen bestimmte Ware ein Zehnfaches an Fehlerpunkten (Lieferungen werden nach Fehlerpunkten auf eine Probe von 350 g Rohkaffee bewertet, z.B. Wassergehalt der Bohnen, Fremdkörper wie Steine bis hin zu Patronen, zerbrochene oder zerfressene Bohnen, Wasserschäden usw.). Der Kollege hatte sich offenbar einfach zu sehr auf seine guten Beziehungen und Männerfreundschaften verlassen und die Kontrollen schleifen gelassen. 

Der beste Kaffee auf der Schäl Sick

Als mittlerweile selbstständige Kaffee Consultant möchte Alexandra weiter daran arbeiten, die immer noch oft im Kopf bestehende Barriere zwischen FairTrade/Bio und Speciality Coffee aufzulösen. Dabei berät sie zum Beispiel auch den Kölner Kaffeeröster Van Dyck. Dort im Schanzenviertel gebe es auch den besten Kaffee auf der Schäl Sick. „Die haben einen wunderbaren 100% Robusta mit allem was ich mag: fair und direkt gehandelt, bio, gut geröstet und zubereitet.“

Ein bisschen Fluch sei die Berufung natürlich auch. „Man denkt schon ständig darüber nach, wie man mit den tausenden kleinen Stellschrauben auf dem langen Weg des Kaffees den Geschmack noch optimieren kann.“ Oder auch, was auf diesem Weg wohl schiefgelaufen ist, wenn der Kaffee im Café mal nicht so schmeckt, wie er schmecken sollte. Das bekomme man auch nicht aus dem Kopf. Trotzdem trinke auch eine Kaffee-Sommelière morgens den eher zweckmäßigen Wach-werd-Kaffee. „Gerne auch mit Milch oder als Cappuccino“, fügt sie lachend hinzu.

Text: Jan 


Alexandras Webseite

Zusammen mit Van Dyck bietet Alexandra ein regelmäßiges Kaffeeseminar mit Sensorik-Schulung an.

Bildquellen: Alle Portraits von Alexandra sind von der lieben Anne Barth aufgenommen.

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